Gericht prüft Todesfall auf der "Gorch Fock"

Für Rechtsanwalt Rainer Dietz war der Ortstermin aufschlussreich. Ohne Öffentlichkeit fand an Bord des Segelschulschiffs "Gorch Fock" in Rostock-Warnemünde der Ortstermin statt. Die "Gorch Fock", ab Donnerstag einer der Glanzpunkte bei der Hanse Sail in Rostock-Warnemünde, war am Mittwoch Schauplatz eines gerichtlichen Ortstermins mit tragischem Hintergrund. Er sollte neue Erkenntnisse zum Tod der 18-jährigen Kadettin Jenny Böken vor knapp sechs Jahren bringen. Die Eltern der jungen Frau, zwei Anwälte und das Gericht waren am Mittwoch auf dem Segelschulschiff der Marine dabei und verschafften sich einen Eindruck von ihrem Arbeitsplatz auf Deck. Presse und Zuschauer mussten am Kai bleiben. Die Eltern schienen bewegt und ergriffen. Sie hätten aber keine Klarheit über die Todesumstände ihrer Tochter bekommen, stellten sie fest.

Anwalt: "Erhellende Einsichten"

Knapp zwei Stunden lang wurde das Schiff in Augenschein genommen. Dabei gab es nach Auffassung des Anwalts der Eltern, Rainer Dietz, "erhellende Einsichten", wie NDR 1 Radio MV berichtete. So sei klar geworden, dass der Standort der jungen Frau im Bug der "Gorch Fock" nicht so sicher war, wie bisher dargestellt wurde. Der Sturz in die See sei von dort durchaus vorstellbar. "Das Gericht hat sich sehr ausführlich mit dem Postenausguck beschäftigt", sagte Dietz.

 

Fregattenkapitän Nils Brandt, der Kommandant der "Gorch Fock", und der Beauftragte für Havarieuntersuchungen der Marine, Michael Brühn, gaben Auskunft zu Detailfragen. Die Kammer habe vor allem den vorderen Teil des Segelschulschiffes in den Blick genommen, teilte das Verwaltungsgericht Aachen nach dem Termin mit. Zu welcher Auffassung die Richter nach dem Termin kommen, ist aber noch unbekannt. Die Erkenntnisse sollen am 22. Oktober bei der mündlichen Verhandlung in Aachen eine gewichtige Rolle spielen.
Tod nicht vollständig geklärt

Ohne Öffentlichkeit fand an Bord des Segelschulschiffs "Gorch Fock" in Rostock-Warnemünde der Ortstermin statt. Ohne Öffentlichkeit fand an Bord des Segelschulschiffs "Gorch Fock" in Rostock-Warnemünde der Ortstermin statt. Am 3. September 2008 hatte die Sanitäts-Offiziersanwärterin Nachtwache auf der "Gorch Fock" gehalten. Gegen Mitternacht ging sie etwa 15 Kilometer vor Norderney über Bord. Zwei Wochen später wurde ihre Leiche aus der Nordsee geborgen. Soweit die Fakten.

Doch Jenny Bökens Eltern haben zum Tod ihrer Tochter noch viele ungeklärte Fragen. Sie wollen die Sicht der Kieler Staatsanwaltschaft nicht akzeptieren, die zum Abschluss der Ermittlungen von einem tragischen Unglück sprach, dessen Ursache nicht abschließend festgestellt werden könne.
Gericht prüft, ob Lebensgefahr bestand

Daher haben die Eltern der Kadettin aus Nordrhein-Westfalen die Bundesrepublik beim Verwaltungsgericht Aachen auf 40.000 Euro Entschädigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz verklagt. Diese stehen ihnen nur zu, wenn der Einsatz ihrer Tochter als lebensgefährlich eingestuft wird. Die Bundeswehr bestreitet dies bisher.

Trug Offiziersanwärterin keine Schwimmweste?

Bökens Eltern werfen dem damaligen Kommandanten vor, dass ihre Tochter bei schwerer See auf dem Ausguck keine Schwimmweste getragen habe und ungesichert gewesen sei. Zudem könne Böken nicht ertrunken sein, da sich laut Obduktionsbericht kein Wasser in ihrer Lunge befand. Eine weitere Ungereimtheit sei, dass die Kadettin keine Stiefel getragen habe, als sie gefunden wurde. Auch gebe es widersprüchliche Zeugenaussagen.

Eltern: Hoffnung auf Antworten

Die Eltern und ihr Anwalt (M.) erhoffen sich durch das Verfahren Klarheit über die Todesumstände der Kadettin.Die Eltern und ihr Anwalt (M.) erhoffen sich durch das Verfahren Klarheit über die Todesumstände der Kadettin.Die Eltern der toten Offiziersanwärterin möchten nach eigenen Angaben vor allem erreichen, dass die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen wieder aufnimmt. Die mögliche Entschädigung sei für sie Nebensache. "Sie müssen bedenken, dass wir seit vier Jahren Bedenken haben, über das, was da geschehen ist", sagte Marlis Böken vor dem Termin. Sie wolle wissen, wo es geschehen sei - sonst könne sie keinen Frieden finden. Uwe Böken, Vater der Kadettin, äußerte sich nach dem Termin beeindruckt: "Ich habe gedacht, dass ich nicht da vorne stehen möchte." Die Reling sei 75 Zentimeter hoch, man könne leicht über die Taue stolpern.

Wenn eine besondere Lebensgefahr bei der Dienstausübung festgestellt wird, steigen die Chancen auf Erfolg der Klage. Dietz räumte allerdings vor dem Termin ein: "Es herrschte damals Windstärke 7. Wenn man jetzt beurteilen will, ob das mit Lebensgefahr verbunden war, dann darf man natürlich eigentlich nicht im Hafen stehen."

Quelle: NDR.de