Abschied von unserer Kameradin Jenny

Die Pfarrkirche St. Willibrord zu Geilenkirchen-Teveren platzte aus allen Nähten. Mehr als 600 Trauernde waren gekommen, um der ertrunkenen Soldatin Jenny Böken die letzte Ehre zu erweisen.

Marine Ehrenwache an Jenny`s Sarg

Zu den Trauergästen gehörten neben der Familie, der Kirchengemeinde, ehemalige Mitschüler, Freunde und Bekannte, der Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe (SPD) und der schleswig-holsteinische Landtagspräsident Martin Kayenburg (CDU). Auch gehörten hochrangige Vertreter der Bundeswehr und der Marine dazu. Zusätzlich zu den 24 Soldaten aus der Marineschule Flensburg-Mürwick, Jenny`s erste Ausbildungsstation, waren auch 7 Mitglieder der Bordkameradschaft ehemalige Stammbesatzung SSS Gorch Fock zusammengekommen, um sich von Jenny Böken zu verabschieden und sie auf ihrem letzten Gang zu begleiten.

Der im Altarbereich der Kirche aufgebahrte Sarg von Jenny war mit einer Bundesdienstflagge abgedeckt. Ihre Matrosenmütze lag obenauf und Matrosen in Wachuniform hielten bis zum Beginn des Requiems Totenwache. Das Requiem gestaltete sich durch abwechselndes Orgelspiel, Chorgesang, gemeinsamen Gebeten und Sprecheinlagen, um der toten Jenny zu gedenken.

Jenny Böken`s Beisetzung

Besondere Aufmerksamkeit erhielt hierbei die Ansprache des Militärdekans Rainer Schadt. Er erzählte von dem schon lange gehegten Wunsch der verstorbenen Jenny, auf dem wundervollen Schiff Gorch Fock Dienst tun zu dürfen. Er erzählte aber auch von den Gefahren, die mit der Erfüllung dieses Wunsches einhergingen, - dass die See gebe und auch nehme. Er teilte seine Auffassung mit, dass er Gott danke, dass sie Jenny wieder hergegeben habe. So sei es möglich, sie im Kreise ihrer Lieben zu Grabe zu tragen und ihrer angemessen zu gedenken.

Während der heiligen Kommunion spielte eine Band der ortsansässigen Musikschule das Lied Tears in Heaven von Eric Clapton. Anschließend bot ein Gitarren und Saxophon Duo ein estnisches Volkslied, Mere Lapsed, dar, welches zu Jennys Lebzeiten von besonderer Bedeutung für sie war.

Abordnung der Bordkameradschaft

Nach dem Schlusslied wurde Jennys Sarg aus der Kirche getragen, dicht gefolgt von der Trauergesellschaft. Ziel des Trauerzuges war der hinter der Kirche gelegene Friedhof, auf dem Jenny ihre letzte Ruhestätte finden sollte.

Im Bereich ihrer bereits vorbereiteten Grabstätte war eine Vielzahl von Trauerkränzen aufgereiht. Reich mit Blumen geschmückte Kranzkompositionen waren mit verschiedenfarbigen Trauerbändern versehen, die mittels aufgetragener Trauersprüche Jenny gedachten. Den mit farbenfrohen Blumen geschmückte Trauerkranz der Bordkameradschaft ehemalige Stammbesatzung SSS Gorch Fock verzierten schwarz-rot-goldene Bänder mit einer besonderen Aufschrift. Angelehnt an das für Jenny zu Lebzeiten bedeutungsvolle estnische Lied „Mere Lapsed“ war dort zu lesen:

Jenny

Kind des Meeres

Du ließest Deine Kindheit am Strand zurück

Und die Reise beginnt

Alles vor Dir ist neu

Dem anschließenden Begräbnis folgte die persönliche Ehrung und Verabschiedung der einzelnen Trauergäste von Jenny und der abschließenden Beileidsbekundung an die Hinterbliebenen.

Eine reich gedeckte Vespertafel mit der Möglichkeit des persönlichen Gesprächs untereinander rundete die Trauerfeier ab. Eine rundum gelungene und angemessene Trauerfeier. – Gute Reise, Jenny.

(Text: Raimond Ramolla)

Weitere Bilder von der Trauerfeier

Unter bislang noch ungeklärten Umständen ging vor elf Tagen eine 18-jährige Soldatin auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock" über Bord. Jetzt ist die Leiche der Soldatin in der Nordsee entdeckt worden. Eine Obduktion soll nun die Todesursache klären.

Kiel - Ein Fischereiaufsichtsboot hat die tote 18-Jährige am Montagabend 65 Seemeilen nordwestlich von Helgoland geborgen, teilte die Kieler Staatsanwaltschaft am Dienstag mit. Eine Obduktion soll jetzt die Hintergründe des mysteriösen Sturzes vor elf Tagen klären.

Die 18-jährige Kadettin aus Nordrhein-Westfalen war vor elf Tagen aus noch ungeklärter Ursache während ihrer Seewache an Deck des Segelschulschiffs "Gorch Fock" bei stürmischem Wetter 20 Kilometer nördlich von Norderney über Bord gegangen.

Polizeiboot

Zum Unglückszeitpunkt befanden sich 107 auszubildende Soldaten - darunter 24 Frauen - an Bord des Schiffes. Bereits in der Vergangenheit hatte es auf der "Gorch Fock" Unfälle mit Todesopfern oder Verletzten gegeben.

Schiffe und Hubschrauber der Bundespolizei, der Deutschen Marine, der Bundeswehr, der Polizei Niedersachsen sowie der DGzRS hatten sich an der großen Suchaktion beteiligt.

Nachdem die vermisste Soldatin am Montag Abend gegen 20:00 Uhr vom Fischereiforschungsschiff "Walter Herwig III" der Bundesforschungsanstalt für Fischerei ca 80 Seemeilen nordwestlich von Helgoland geborgen wurde, übergab man sie gegen 23:00 Uhr dem aus Hamburg kommenden Polizeiboot "Bürgermeister Weichmann".

Deutsche Bucht

Das Polizeiboot befand sich zurzeit in Cuxhaven und lief von dort aus, um die Leiche zu übernehmen. Später wurden die Soldatin der Wasserschutzpolizei Husum übergeben, die Überführung zum gerichtsmedizinischen Institut Kiel übernahm.

Unmittelbar nach dem bekannt wurde, dass die vermisste Soldatin nur noch tot geborgen werden konnte, erreichte uns ein Brief des Vaters. Noch hoffend, wurde eine Erklärung vorbereitet, die nun, nachdem feststeht, dass kein Wunder mehr geschehen ist, redaktionell geringfügig geändert wurde, um die Formulierung auf den status quo zu ändern.

Seitdem unsere Tochter am 03.09.08 unter tragischen Umständen von Bord der Gorch Fock verschwunden ist, haben wir durch Freunde, Bekannte, Verwandte, Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen, die Bundesmarine, aber in entscheidendem Maße auch durch die Webseite der Bordkameradschaft der Gorch Fock Trost und Mitgefühl erfahren. Die Berichterstattung war objektiv und nicht spekulativ, wofür wir sehr danken.

In Abstimmung mit dem Presse- und Informationszentrum der Marine in Glücksburg (PIZ) haben wir uns als Eltern bislang im Hintergrund gehalten. Nun hat ein Pressegespräch in Geilenkirchen stattgefunden, in dem wir als Eltern die Möglichkeit genutzt haben, unsere Tochter so vorzustellen, wie sie war und auch unser eigenes Umgehen mit der Katastrophe darzustellen, bevor die Medien die Gerüchte als Tatsachen darstellen.

Immer wieder wurden wir gefragt, wie wir mit dem Tod unserer Tochter umgehen.

Jenny und auch wir als Familie glauben an Gott. Jennys Wochenendbesuche waren zwar nur kurz, aber lang genug, um gemeinsam den samstäglichen Vorabendgottesdienst zu besuchen. Nach dem Eintreffen der Schreckensnachricht am 04.09.08 haben wir gemeinsam mit unserer Gemeinde gebetet, dass Jenny wieder zu uns zurückkommt. Wir hofften alle auf ein Wunder, dass Jenny von irgendeinem Schiff aufgenommen worden ist und vielleicht ohne Erinnerung oder sogar ohne Bewusststein irgendwo gepflegt wird. Wir meinen, dass es für Eltern vollkommen natürlich ist, dass sie bis zuletzt hoffen.

Jenny`s Traumberuf 

Jenny war ein sehr tierliebes Mädchen, sie „adoptiert“ zugelaufene Katzen und pflegte sie gesund. Einer dieser zugelaufenen Stromer ist derzeit unsere lebende Verbindung zu unserer Tochter. Jennys Begabungen reichten von Musik (Gesang) über Kunst (Malerei) bis hin zur Medizin. Ihr Berufswunsch war, als Marineärztin Dienst für ihre Nächsten zu tun. Anfang 2007 hat sie an einem Malwettbewerb der Volks- und Raiffeisenbanken teilgenommen. Unter dem Motto „Mein Traumberuf“ hat Jenny ihr Bild gemalt und damit einen überregionalen 2. Platz belegt. Das Wasser liebte Jenny seit sie erste Schritte auf dieser Welt gemacht hat. Bei einem Besuch unserer Partnerschule in Estland im Jahr 2005 ist Jenny mit einem Solotitel aufgetreten. Sie hat den estnischen Grand-Prix-Beitrag „Mere Lapsed“ aus dem Jahr 1998 in estnischer Sprache unter Gitarrenbegleitung gesungen. Aus einer einfachen Tonaufnahme hat sie dann mit Fotos aus Estland ein kleines Video gemacht und bei Youtube veröffentlicht, was uns erst nach ihrem Verschwinden bekannt wurde. Wenn wir nun noch verraten, dass „Mere Lapsed“ auf Deutsch „Kinder des Meeres“ bedeutet, dann wird die Tragweite deutlich.

Jenny hatte zum Wintersemester einen Studienplatz für Medizin in Düsseldorf. Mit Freuden hat sie zwei Wochen vor ihrem Verschwinden begonnen, ihre künftige Wohnung in Düsseldorf einzurichten. Jenny hat einen festen Freund, die Beziehung war ohne Probleme. Mit größter Lebensfreude hat sich Jenny auf ihre Heimfahrt am 05.09.08 gefreut, um zusammen mit ihrer Familie ihren 19. Geburtstag zu feiern.

Wir sind in Gedanken bei unserer Tochter, danken aber all´ denen, die uns in den vergangenen Tagen über unseren Schmerz geholfen haben. Freunde haben uns besucht und in den Arm genommen, Nachbarn haben einen Kuchen gebacken, die Dorfgemeinschaft hat den Marienaltar der Dorfkirche für Jenny und uns geschmückt, Kolleginnen und Kollegen haben uns besucht und versucht, Trost zu spenden, Vertreter der Bundesmarine haben uns spüren lassen, dass sie mit uns leiden, viele uns unbekannte Personen haben ihr Mitgefühl ins Gästebuch der Bordkameradschaft ins Internet geschrieben. All´ das war und ist tröstlich, weil wir zu keiner Zeit alleine waren. Wir hatten in all´ den furchtbaren Tagen das Glück, Gemeinde im wahren Wortsinn zu spüren.

Wir danken allen für das uns entgegengebrachte Mitgefühl. Ein besonderer Dank geht an Herrn Dirkes, der unsere Suche nach unserer Tochter mit sehr viel Arbeitseinsatz im Internet unterstützt hat und uns weiter unterstützen wird. Unsere Hoffnung war, dass Jenny von irgendeinem Schiff an Bord genommen wurde. Vielleicht, so dachten wir, leidet unsere Tochter an Amnesie und/oder ist noch ohne Bewusstsein, wer weiß? Aufgeben wollten wir sie nicht.

Immer wieder wurden wir gefragt, ob wir irgendjemandem Vorwürfe machen. Unsere Meinung ist, dass diesbezüglich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgewartet werden müssen. Wir haben seit der Unglücksnachricht eine ganze Reihe von Fragen. Einige haben wir gestellt, andere noch nicht. Sollten die staatsanwaltlichen Ermittlungen Anhaltspunkte für fahrlässiges Verhalten ergeben, so werden wir gegebenenfalls auch unangenehme Fragen stellen. Dies sind wir unserer Tochter schuldig!

Der Sonne entgegen Der Sonne entgegen

Von guten Mächten treu und still umgeben
behütet und getröstet wunderbar,
- so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr;

noch will das alte unsere Herzen quälen
noch drückt uns böser Tage schwere Last,
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das Du uns geschaffen hast.

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern,
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus Deiner guten und geliebten Hand.

Doch willst Du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann woll’n wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört Dir unser Leben ganz.

Laß warm und hell die Kerzen heute flammen
die Du in unsere Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen!
Wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht.

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so laß uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all Deiner Kinder hohen Lobgesang.

Von Guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen,
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.

Dietrich Bonhoeffer

Eine Woche lang hat die Deutsche Marine mit allen ihr zur Verfügung stehenden Schiffen und Luftfahrzeugen nach unserer vermissten Soldatin gesucht. Noch gestern waren zwei Tornados des Aufklärungsgeschwaders 51 "Immelmann" aus Jagel in der Deutschen Bucht unterwegs, um dort mit Wärmebildkameras zu suchen. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger hatte ihre Suche bereits am vergangenen Freitag eingestellt. An den intensiven Suchmaßnahmen beteiligten sich in den zurückliegenden Tagen Schiffe, Flugzeuge und Hubschrauber der Bundeswehr, Boote und Luftfahrzeuge der Bundespolizei, der Landespolizei Niedersachsens und der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Auch zahlreiche Schiffe der christlichen Seefahrt unterstützen die Aktion. Die Anteilnahme der Bevölkerung war immens. Zivile Segler und Piloten boten ihre Hilfe an.
Da es aufgrund des von Tag zu Tag immer größer werdenden Suchgebietes nach menschlichem Ermessen kaum möglich erscheint, unsere Soldatin aufzufinden, wurde die konzentrierte Suchaktion vorerst beendet. Sollten sich aufgrund von Beobachtungen der Schifffahrt, der Auswertung von Bildmaterial der Aufklärungsflugzeuge sowie der regelmäßigen Marineaktivitäten in der Deutschen Bucht neue Hoffnungen ergeben, wird die Marine erneut eine umfassende Suchaktion starten. Eine gezielte Suchaktion wird eingestellt. Der Suchauftrag bleibt aber für die Flotte erhalten. Die Deutsche Marine wird mit ihren Einheiten, die in dem Seegebiet operieren, auch weiterhin nach unserer Soldatin Ausschau halten.
Am Dienstagabend fand in der Marineschule Mürwik (MSM) in Flensburg eine Gedenkandacht statt. Die Eltern der Soldatin gedachten ihrer Tochter im Beisein von zahlreichen Marineangehörigen. An der Offizierschule der Marine hatte die Sanitätsoffizieranwärterin vor drei Wochen ihren Eid abgelegt und zuvor ihre allgemeine militärische Grundausbildung durchlaufen. Die Eltern sprachen allen an der Suche Beteiligten ihren persönlichen Dank für den unermüdlichen Einsatz aus. Sie dankten der Öffentlichkeit und den Soldaten für die Anteilnahme an dem Schicksal der Tochter.
Das sogenannte Vorprüfungsverfahren der zuständigen Staatsanwaltschaft in Kiel ist derweil noch nicht abgeschlossen.
Quelle: Presse- und Informationszentrum Marine

Gorch-Fock-Lied

Segel setzen "Gorch Fock"

Meldung an Bord

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